Verdiente Gesellschafter

Rolf Siegenthaler (27.7.1928 - 25.7.2014)

Rolf mit Enkelin

Rolf Siegenthaler war Schütze mit Leib und Seele. Über verschiedene Distanzen vor allem aber über 300m hat er in seiner Schiesskarriere bei den Stadtschützen 663 Kranzresultate erzielt, davon allein deren 8 in seinem 85-zigsten Lebensjahr. Er war fünf Mal Gesellschaftsmeister mit dem Sturmgewehr 57 und mit dem Sturmgewehr 90, was ihn für Konstanz und Präzision über eine ganze Schiesssaison hinweg auszeichnete.

In seine Amtszeiten als erster Schützenmeister und Obmann fallen viele ausgezeichnete Sektionsresultate an Kantonalen und Eidgenössischen Schützenfesten. So belegte unsere Gesellschaft an den Eidgenössischen in Luzern und Winterthur gleich zweimal den ersten Rang im 300m und 50m Schiessen. Er verstand es, ein Umfeld zu schaffen, das seine Schützenkameraden zur Höchstform auflaufen liess und dabei war er mit seinem Können auch immer Vorbild und Motivator.

Seine ausgezeichneten Führungsqualitäten blieben natürlich auch dem eidgenössischen Schützenverband nicht verborgen. 1981 bis 1991 war er im Zentralkomitee des Schweizerischen Schützenvereins (SSV) als Chef Feldschiessen einer der höchsten Funktionäre im Schweizer Schiesswesen. Für seine langjährige Mitarbeit ernannten ihn sowohl der SSV als auch der Zürcher Kantonalschützenverband 1991 zum Ehrenmitglied.

Wie es sich für einen sehr verdienten Stadtschützen gehört, wurde Rolf 1975 in die Gilde der Bombenwerfer aufgenommen. Seine pointierten Diskussionsbeiträge im Rahmen der Monatsversammlungen wurden beachtet. Es gab kaum ein Thema, das ihm fremd war und zu dem er sich nicht bereits eine eigene Meinung gebildet hatte. So waren Diskussionen mit ihm immer spannend aber auch anspruchsvoll. Es brauchte schon sehr gute Argumente, um ihn von seiner einmal gefassten Meinung abzubringen.

Rolf Siegenthaler war aber auch Bürger und Politiker. Seine Reden am Knabenschiessen Montag in der gefüllten Festhalle waren mehrere Male Stadtgespräch, fiel doch seine Amtszeit als Obmann in eine für einen Stadtbewohner mit bürgerlicher und freiheitlicher Gesinnung schwierige Zeit. Zürich war ja bekanntlich gebaut – ausser natürlich den verkehrsbehindernden Schwellen - und ihm gefiel nicht immer alles, was in den Räten entschieden wurde. In seiner kernigen und direkten Art, im besten Bärndeutsch, das er nach all den Jahren in Zürich nie ablegte, las er den anwesenden Magistraten die Leviten. Es gab aber auch den eloquenten und witzigen Redner Rolf, der eine feine Klinge führen konnte und mit viel Witz und Schlagfertigkeit durch unzählige Anlässe unserer Gesellschaft geführt hat. Speziell zu erwähnen seien da die Hammelessen – oder wie es im internen Jargon heisst, den Hammelfrass – oder auch spontane Wortmeldungen oder Verdankungen bei Anlässen von befreundeten Schützengesellschaften.

Beruflich konnte Rolf Siegenthaler auf eine eindrückliche Karriere zurückblicken. Wie schon seinen Vater, der lange Jahre im Kanton Bern als Regierungsrat diente, zog es ihn nach Zürich an die Eidg. Technische Hochschule, wo er das Studium des Bauingenieurs mit Erfolg abschloss. Rolf fand für schwierige Problemstellungen kreative, erfolgreiche Lösungen. So war er während mehrerer Jahre für den Tunnelbau der Firma Losinger verantwortlich. Dabei stand er vor allem im Wallis bei der Erstellung der komplexen Tunnelsysteme für die grossen Wasserkraftwerke im Einsatz und logierte dabei - zum Teil schon mit seiner liebenswürdigen Gattin Lise - während langer Monate in engen Baubarackenprovisorien. Anfangs der siebziger Jahre baute er die bekannte Berner Kornhausbrücke um und war massgeblich an der Erstellung der Berner Universitätskinderklinik beteiligt. Später betrieb er in Zürich ein eigenes Ingenieurbüro das zum Beispiel die statischen Berechnungen für die Autobahnbrücke bei Würenlos (im Volksmund als „Fressbalken“ bekannt) machte. Am 1. Juli 1984 beförderte ihn der Bundesrat zum Divisionär und Rolf übernahm das Amt des Waffenchefs und Direktors des Bundesamtes für Genie und Festungswesen. Dieser Herausforderung stellte er sich bis zu seiner Pensionierung Ende 1990.

Es gäbe noch viel über Rolf Siegenthaler und die Stadtschützen zu berichten. Lassen Sie uns aber noch etwas über den Menschen Rolf erzählen.

Mike Bloch erinnert sich noch gut an seine erste Vorstandssitzung, als er 1994 als junger Quästor zwei in den Vorstand berufen wurde. Ein Divisionär und Obmann der Stadtschützen war eine Persönlichkeit und die Ämter waren mit einem sehr hohen Sozialprestige verbunden. Die heutige Duzis-Kultur war sich erst am entwickeln, also war es alles andere als selbstverständlich, dass Rolf ihm sofort das Du anbot und ihn ohne Vorbehalte in den „Dienstbetrieb“ des Vorstandes integrierte. Unvergesslich sind auch die straff und speditiv geführten Vorstandssitzungen im wabernden Zigarrenqualm. Ja, es war politisch korrekt zu rauchen. Das wurde an den Sitzungen so stark gepflegt, dass sogar die Sitzungsunterlagen das Odeur seiner Havannas annahmen und der Anzug für zwei Tage an die Luft musste, bis er wieder präsentabel roch.

Rolf warein überaus charmanter und grosszügiger Gastgeber. Wenn Lise und Rolf jeweils den ganzen Stadtschützenvorstand mit Kind und Kegel zum sommerlichen Badeplausch nach Steckborn einluden, stand er eigenhändig am Grill und überwachte den Garpunkt des Schweinsbratens, den er vorher selbst mariniert hatte. Liebevoll wurde der Braten mit der Marinade beträufelt und der geduldige Grilleur befeuchtete seine Kehle seinerseits mit Weisswein. Denn stundenlang am Grill stehen macht bekanntlich durstig. Dann wurde der beste Bordeaux aus dem Keller geholt und am Schluss kreiste noch die Zigarrenkiste mit den vorzüglichsten Havannas und der Truttiker Marc durfte auch nicht fehlen. Bei diesen Gelegenheiten erlebten wir den Geniesser und rundum zufriedenen Rolf. Als stolzer Grossvater im Kreise seiner Enkelkinder und seiner langjährigen Weggefährten im Vorstand fühlte er sich wohl. Diese grosszügigen Einladungen wurden noch viele Jahre weiter gepflegt, obwohl Rolf schon lange nicht mehr Obmann war.

Rolf lebte nach der Devise von Friedrich dem Grossen von Preussen: Servir et disparaître. Er hat uns nie dreingeredet. Er war der Meinung, dass man die Jungen machen lassen sollte. Fragte man Rolf aber um Rat, wurde man natürlich in eine interessante Diskussion verwickelt und war anschliessend sicher „gescheiter“. Er war ein guter Ratgeber, der Lob aber auch Tadel austeilen konnte.

Wir haben mit Rolf Siegenthaler einen treuen Freund und noblen Schützenkameraden und Gildner verloren. Sein vorbildliches Pflichtbewusstsein, seine Kameradschaft und Grosszügigkeit wird uns Stadtschützen und Gildnern immer in Erinnerung bleiben. Rolf hinterlässt in der Schützenwelt eine grosse Lücke. Über drei Jahrzehnte hat er unser Gesellschaftsleben mitgestaltet und mitgeprägt und hat in unserer über 500-jährigen Geschichte seine Spuren hinterlassen. Ein Grandseigneur und Patron alter Schule, mit rauher Schale aber auch einem weichen Kern hat uns für immer verlassen. Rolf, wir danken dir für Alles.